Studienauftrag Gesamterneuerung Höhere Fachschule Gesundheit und Soziales

Aarau

Der vorgesehene Ansatz der Ausschreibung setzt zur Lösung der Aufgabenstellung Abbrüche im Rahmen des Bestands sowie Sanierungen und in geeigneter Menge Neubauten voraus. Diesen Ansatz haben wir ernst genommen.
So haben wir den heterogenen Bestand auf städtebaulich-architektonische Schwerpunkte, auf Stabilität, auf geeignete räumliche Disponibilität und Ausbaubarkeit, auf Bauphysik und nachhaltige Materialität sowie auf Energieeffizienz geprüft und entsprechend ein Konzept ausgearbeitet. Diesem Lösungsansatz haben wir eine Neubaulösung für den Schulbetrieb gegenübergestellt und in einem Vergleichsverfahren bewertet. Dieses hat immer wieder zur selben Frage geführt: In welchem Mass ist der Bestand zu sanieren und wieviel neue Bausubstanz ist zur Erfüllung der Bauaufgabe zu ergänzen, um einen nachhaltigen, langfristigen, auf die Bedürfnisse der Schule und des Quartiers massgeschneiderten Lösungsansatz zu präsentieren?

Die Prüfung hat folgendes ergeben:
Altbau
Der Erhalt des Altbaus aus den dreissiger Jahren ist fraglich. Anpassungen in den Bereichen Festigkeit, Energieeffizienz, Fassade, Materialität, Raumstruktur und Erschliessung erfordern ein hohes Mass an Investitionen. Die Aufwendungen überschreiten 70% der Kosten für einen Ersatzneubau.
Die Identität im Quartier zeigt sich nicht durch die Präsenz des Altbaus. Er weist auch keine denkmalpflegerischen Aspekte für den Erhalt aus. Gemäss der SIA 112/1 kommt somit ein Ersatz in Frage.
Hochhaus mit Flachbauten
Die Struktur des Hochhauses ist kleinteilig, seine Form eigenständig und nach aussen zum Quartier hin zeichenhaft und identitätsstiftend. Eine Umnutzung zu Schulzwecken im traditionellen Sinn (Klassenzimmer) ist durch die Kleinteiligkeit der Gebäudestruktur wenn überhaupt, nur mit sehr hohen Aufwendungen denkbar. Kleinteilige Nutzungen wie Einzelbüros (Schulverwaltung) machen Sinn. Die Hülle ist sanierungsbedürftig, die Gebäudetechnik und der Brandschutz zu erneuern. Die Raumhöhen bleiben jedoch knapp und die Flexibilität gering.
Die Flachbauten weisen grössere Spannweiten auf, sind jedoch auf verschiedenen Niveaus (Splitlevel) organisiert, kompliziert erschlossen und weitläufig angeordnet. Die Frage der Tageslichtführung ist nicht gelöst. Aufwendige Rückbauten im Bereich des Bassins sind nötig. Die Hülle, mit ihrer grossen Abwicklung, wie auch die gebäudetechnischen Anlagen sind zu ersetzen.

DIE ERKENNTNIS
Nachhaltiges Bauen hat mit langfristigen Komponenten zu tun und ist nicht nur mit technologischen Argumenten quantifizierbar. Die Schulnutzung sieht einen mittel- bis langfristigen Ausbau von 500 auf 850 Schüler vor. Die Schule teilweise im Bestand der Hochhausstruktur unterzubringen, deutet auf Anpassungen des Schulbetriebs an die Gegebenheiten des Bestandes hin. Sollte im Umkehrschluss nicht der Bau mit seiner Struktur stets die bestmögliche Schule mit grosser Flexibilität zulassen, sofern dies im vorgegebenen Kostenrahmen möglich ist?

ZUM KONZEPT
Aus dieser Erkenntnis kommen wir zum Schluss, einen Komplettersatz für den Schulhausbau vorzuschlagen, welcher den Anforderungen eines modernen Schulbetriebs auch in der Zukunft entsprechen kann. So kann mit minimalen Risiken (m i n i m a l r i s k) und mit einem hohen Mass an Voraussehbarkeit ein kompakter Neubau mit zeitgenössischen Mitteln und vernünftigem finanziellen Aufwand den heutigen und künftigen Anforderungen genügen.
Eine häufig fehlende Bedingung dazu ist im Falle der HFGS gegeben, nämlich die bestehende Landreserve auf dem eigenen Areal. Durch den Abbruch des Altbaus wird der südliche Perimeter des Grundstücks frei für einen Ersatzneubau. Provisorien beschränken sich auf Umnutzungen im verbleibenden Bestand.
Auf Untergeschosse wird beim Neubau aus Kostengründen verzichtet. Parkplätze werden vorläufig nach aussen verlegt. Ein Skelettbau generiert eine regelmässige Tragstruktur, deren Spannweiten optimiert sind. Trennwände sind nichttragend und auf künftige Nutzungen anpassbar. Die Fassade ist in Holz-Metall-Elementen vorgefertigt und damit leicht. Die Tageslichtführung entspricht einer modernen Schule und reicht bis zu den Korridoren und Treppenhäusern, die in Schulhäusern als Orte der Begegnung einen wichtigen Bestandteil des Schullebens ausmachen. Strukturen mit grossen Spannweiten wie Auditorien befinden sich auf dem Dach.
Die vom laufenden Schulbetrieb unabhängige Erstellung des Neubaus entlastet die Schnittstellen und Lärmbeeinträchtigungen und erlaubt den Bezug der neuen Schulräume in einem Zug.
Wir schlagen vor, den nordwestlichen Flachbaubereich des Hochhauses sowie das Hochhaus im Baurecht abzugeben und dieses im Sinne der von uns vorgeschlagenen Nutzungen zu belegen. Eine Abparzellierung ist denkbar. Der Abbruch der nordöstlichen Flachbaubereiche (Bassin, aufwendige Umnutzung) ermöglicht in einer ersten Phase die Organisation der Parkplätze. Künftig schlagen wir diesen Ort als strategische Raumreserve der Schule vor.
Das Quartier behält damit das zeichenhafte Hochhaus und wird durch zwei Schulhausbauten ergänzt. Die drei Figuren erlauben durch ihre Abstände zueinander einen uneingeschränkten räumlichen Durchfluss im Quartier und tragen zu seiner öffentlichen Nutzung bei. Die Permeabilität des Quartiers ist gewährleistet. Die durchgehende Eingangshalle der Schule stärkt diesen Gedanken.

NACHHALTIGKEIT
Analyse
Die räumliche Ausgangslage ist vorliegendes Gebäudeensemble aus den Jahren 1933/ 1974. Nebst der anstehenden gesamthaften großzyklischen Instandsetzung, besteht ein neues modifiziertes Raumprogramm der HFGS und damit auch die Möglichkeit der Umnutzung des bestehenden Hochhauses.
Entscheidend erscheint uns der im Programm formulierte Gedanke, dass die langfristige Betrachtung der Lebenszykluskosten von zentraler Bedeutung sei. Auf diesem Hintergrund ist neben der Nutzungsflexibilität der gebauten Struktur auch die Erweiterbarkeit, konkret der mögliche Zuwachs von 500 auf 850 Schüler, in einer nahen Zukunft prioritär.

Wirtschaftlichkeit
Charakteristisch für das bestehende Ensemble ist die Weitläufigkeit der bestehenden Anlage, und damit verbunden, eine zum Programm verhältnismäßig grosse Geschossfläche und Fassadenabwicklung.
Mit einer Gesamterneuerung des Bestandes, im Gegensatz zu einem denkbaren kompakteren Ersatzneubau, werden die zukünftigen Energie- und Unterhaltskosten höher ausfallen; Energiebezugsfläche, zu belüftende Fläche (MINERGIE) und Fassadenfläche sind deutlich grösser.

Werden bei einem kompakten Ersatzneubau die Geschoss- und Fassadenflächen minimiert, werden zudem tiefere Erstellungs- bzw. Sanierungskosten in der Fassade und im Ausbau erreicht.
Die starre Tragstruktur, sowie die damit einhergehenden teilweise knappen Raumabmessungen des Bestandes, lassen bei einer Ertüchtigung nach MINERGIE (kontrollierte Lüftung) kostenintensive bauliche Anpassungen erwarten, welche nicht vollumfänglich vorhersehbar sind.

Der Zeitpunkt für einen Teilrückbau der bestehenden Substanz erscheint uns günstig, da über das gesamte Ensemble, außer bei der Tragstruktur, keine Abschreibungen zu verzeichnen sind. Darüber hinaus sind für die heutige Programmerfüllung verhältnismäßig große Anpassungen der Struktur notwendig, ohne dass damit auch eine nachhaltige Ausgangslage für Nutzungsanpassungen und –entwicklungen gegeben ist.

Ein Teilumbau des Bestandes wird externe Provisorien benötigen oder alternativ die Bauzeit verlängern. Mit einem Ersatzneubau können auf ideale Weise 100% der Schulnutzung während der Bauzeit ohne externe Provisorien aufrecht erhalten werden. Die Investitionen in Provisorien ohne bleibenden Wert werden dadurch minimiert.

Umwelt
Da bei einem kompakten Ersatzneubau die Geschoss- und Fassadenflächen minimiert werden können, werden aufgrund der kleineren Menge verbauter Materialien sowohl Ressourcen geschont, als auch weniger Grauenergie notwendig sein. Eine kompaktere Medienführung der Haustechnik wird genannte Kriterien ebenso günstig beeinflussen.

Das Konzept eines Ersatzneubaus mit einer optionalen Teilerneuerung im Baurecht erlaubt nach wie vor großzügige Umgebungsflächen, welche für die Versickerung des anfallenden Regenwassers genutzt werden können.

Gesellschaft
Unsere Analyse hat gezeigt, dass das geforderte Programm, jedoch mit kaum vertretbaren Anpassungen an der bestehenden Tragstruktur, in den bestehenden Gebäuden untergebracht werden könnte. Eingriffe zwecks Erreichen der Erdbebensicherheit limitieren diese Absicht in ungünstiger Weise. Nach einer kostenintensiven Instandsetzung würde zwar das Programm auf dem neusten Stand der Technik und Vorschriften erfüllt, die Tragstruktur würde mit einem hohen Anteil an massiven Wänden immer noch zu wenig Nutzungsflexibilität hinsichtlich zukünftig ändernden Anforderungen aufweisen.

Ein kompakter Neubau kann so gestaltet werden, dass sowohl das heutige Programm erfüllt, als auch mit einfachen Maßnahmen zukünftigen, heute noch nicht definierten Entwicklungen entsprochen werden kann.

Im Hinblick einer Gesamterneuerung unter 100% laufendem Betrieb ist es aufgrund der schulischen Nutzung zwingend, die Lärmimmissionen zeitlich und örtlich zu begrenzen. Bei einem Umbau der bestehenden Betonstruktur wird diese Belastung durch Einbauten und Durchbrüche, schon aufgrund erhöhter Anforderungen an die Gebäudetechnik, groß sein und den Schulbetrieb in hohem Masse negativ beeinflussen. Mit einem Ersatzneubau können diese Immissionen zeitlich und örtlich effektiv reduziert oder gar vermieden werden. Ermöglicht wird dies durch die vorhandene Landreserve, welche in unserem Konzept auch für weitere Entwicklungen gesichert werden soll.

Client:Kanton Aargau
Year:2010
Categories:education
Status:competition