Wettbewerb Staatsanwaltschaft – 2. Preis

Baden-Württemberg (D)

Der Ort des städtebaulichen Eingriffs befindet sich an der Nahtstelle zwischen der Alt- und Neustadt von Ulm. Die Olgastraße zeichnet den ehemaligen Stadtgraben der mittelalterlichen Stadtbefestigung nach. Das in Sandstein ausgeführte Justizgebäude formuliert den Anfang oder das Ende der Karl-Schefold-Straße mit einem auffälligen Risalit und prägt hier den Städtebau als kräftiges Gegenüber zum vorgeschlagenen Ensemble der neuen Staatsanwaltschaft.

Auffällig sind die Setzungen der am Nordrand der Olgastraße gelegenen Bauten in der Neustadt. Vor- und Rücksprünge sowie eine auffallende Silhouette prägen hier die Straßenflucht. Die durch Straßen regelmäßig formulierten Blocks unterscheiden sich von der homogen angelegten Struktur der Altstadt durch die offene Anordnung von Gebäuden. Es entsteht so eine durchläßige Struktur, die diesen Stadtteil auszeichnet. Zugänge und Einfahrten erfolgen nicht von der Olgastraße her, sondern seitlich oder über erhöhte Plattformen. Die Front an der Olgastraße hat eher repräsentativen Charakter. Trotz der freien Setzung der Bauten bleibt die nördliche Neustadt in ihrer städtebaulich vorgezeichneten Durchläßigkeit auf Stadtebene eher verschloßen. Hinterhofstimmungen prägen das Bild der Zwischenräume.
Der Entwurf setzt beim städtebaulichen Potential der Permeabilität im Sinne einer öffentlichen Durchwegung der offenen Blocks an und versteht sich als möglicher Impuls für eine künftige Weiterentwicklung der Bausubstanz der nördlichen Neustadt. Als Vorbild steht Alison und Peter Smithson’s Economist Building in London St. James, welches in einem historisch geprägten Quartier die Öffnung eines Blocks bereits in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts vorgeschlagen hatte.
Zur klaren Identifikation und Stärkung der Olgastraße als Nahtstelle zur Altstadt schlagen wir ein städtebauliches Regelsystem für diesen Bereich in Form einer anzuwendenden «Toolbox» vor. Die darin enthaltenen Elemente definieren sich wie folgt:
Zukünftige öffentliche Durchwegungen der Blocks im Bereich der nördlichen Neustadt ermöglichen.
Das Angebot kleiner Plazas und somit von Öffentlichkeit steigern.
Das Ausrichten von Arkaden auf Plazas bei öffentlichen Bauten sichern.
Die heterogene Silhouette der Bauten an der Olgastraße auf der Nordseite beibehalten und weiterführen.
Das Profil der Olgastraße von Süden nach Norden mit Fuß- und Radwegen, Baumreihe und Verkehrßtreifen beibehalten und stärken.
Die Baumreihen auf die Südseite beschränken.
Der Bebauungsvorschlag für die Staatsanwaltschaft in Ulm sieht die Setzung von drei Gebäuden vor, welche eine erhöhte, über Treppen und Rampen erschloßene Plaza einfassen. In der Abfolge der Bauabschnitte staffeln sich die Bauvolumen vom viergeschossigen, im Blockinneren liegenden Staatsanwaltsgebäude über den fünfgeschossigen Verwaltungsbau bis zum siebengeschossigen Eckgebäude. Während die Staatsanwaltschaft damit auf die angrenzende Nachbarbebauung reagiert, stärken die beiden folgenden Bauabschnitte die Sihouette an der Olgastraße. Mit Abschluß des dritten Bauabschnittes ergibt sich eine Ausnutzungsziffer des Grundstückes von knapp 2.3.
Das Erdgeschoß aller Neubauten öffnet sich auf die erhöhte Plaza über Arkaden, wodurch die Durchläßigkeit und der öffentliche Charakter des Ensembles sowie die jeweils eigene Adreßbildung verdeutlicht werden. Die einheitliche Materialisierung in Wittmunder Torfbrandklinker und der klare, regelmässige Rhythmus der Fassaden verleihen diesem Geviert an der Olgastraße eine eigenständige Identität und Kraft im städtebaulichen Kontext als Gegenüber des historischen Justizgebäudes.
Der Vorschlag, den ersten Bauabschnitt mit der neuen Staatsanwaltschaft in den Norden des Areals zu legen, ist angesichts des zwingend aufrecht zu erhaltenden Betriebs der Bestandesbauten nahe liegend. Der Zugang erfolgt über eine Arkade zur erhöhten Plaza, welche schon in dieser Phase die künftigen Bauabschnitte vorzeichnet. Die Zufahrt für Personenwagen und Anlieferung erfolgt im Norden über die Karl-Schefold-Straße. Von hier aus wird später auch die Tiefgarage des zweiten Bauabschnittes erschlossen. Die Außenraumgestaltung wandelt sich mit der Realisierung der einzelnen Bauabschnitte, bleibt aber stets geprägt durch die erhöhte Plaza, deren Zugänge über Treppen und Rampen sowie die spezifische Ausbildung der Arkaden. Eine einheitliche Materialwahl und die Konzentration von begrünten Aufenthaltsbereichen auf einen Standort stärken das Ensemble.

Nutzung: Staatsanwaltschaft Ulm
Die spezifische Nutzung des ersten Bauabschnittes als Staatsanwaltschaft bildet sich auch in der inneren räumlichen Organisation ab. Auftakt dazu ist die Adressbildung mit der gegenüber dem Straßenniveau leicht erhöhten Plaza und dem Arkadenmotiv, welche eine städtische, einladend-repräsentative Eingangssituation formuliert.
Durch die Sicherheitsschleuse betritt man das überhohe Erdgeschoß, welches sämtliche öffentlich zugänglichen Nutzungen enthält. Mit Ausnahme der Treppenverbindung werden dem Raumprogramm entsprechend keine räumlichen Verknüpfungen in die Obergeschosse gesucht. Denn dort beginnt die Welt der Juristen, welche geprägt ist durch Einzelbüroarbeitsplätze. Im Kontrast dazu stehen die offenen Erschließungszonen, welche als Begegnungs- und Kommunikationsbereiche ausgebildet sind. Das Herz bildet die innenliegende Treppe, welche wie eine Vitrine über alle Geschoße mit zenitalem Licht versorgt wird.

Gebäudestruktur
Der statisch-konstruktive Aufbau des Gebäudes ist einfach: Eine tragende Hülle ergänzt mit Stützen und aussteifendem Kern bildet das Gerüst, welches langfristig eine große Flexibilität ermöglicht, ohne die Qualitäten der inneren Erschließungszonen zu tangieren. Brandschutztechnisch speziell ist die Treppenerschließung gelöst, wo im Brandfall durch Schließen von Brandschutztoren ein eigener Brandabschnitt entsteht. Dadurch kann auf ein separates Fluchttreppenhaus verzichtet werden. Für die weiteren Bauabschnitte läßt sich dieses Prinzip problemlos adaptieren. Selbst ein räumlicher Zusammenschluß von nacheinander realisierten Bauten ist durchaus denkbar.

Materialisierung
Die Teilung der Fensteröffnungen in den Obergeschossen der Gebäude ist regelmässig. Die Erdgeschosse öffnen sich auf die erhöhte Plaza über Arkaden und präzisieren die Adressen der Gebäude.
Die Eindeutigkeit der Materialisierung und die regelmässige Klarheit der Fassaden verleihen dem neuen Geviert an der Olgastrasse eine eigenständige Identifikation im städtebaulichen Kontext. Rampen und Treppen zusammen mit den Arkaden deuten auf eine öffentliche Durchwegung des Areals hin.

Struktur
Die Grundrissstrukturen sind einfach und erlauben eine Vielzahl von offenen und geschlossenen Bürostrukturen. Flexible Raumeinteilungen sind zukünftig über nichttragende Innenwände möglich.
Dieses Prinzip lässt sich bei allen Gebäuden sinngemäss fortsetzen.
Dabei bleibt die Möglichkeit, die Bauten zu verbinden, offen.

Konzept HLK
Ein gut gedämmtes Verwaltungsgebäude braucht eine Ganzjahresbetrachtung, in welcher nicht nur die geringe Heizenergie optimal zu erbringen ist, sondern vor allem auch Kühlenergie bereitgestellt werden muss.
Aus diesen Gegebenheiten wird eine Wärmepumpe vorgesehen, welche als Kälteerzeugung bemessen wird, da für die Serverräume und die belegten Büros Überschusswärmen anstehen und der Rückkühler (Aussenluft) auch als Quelle für die Wärmepumpe genutzt werden kann. Für die Spitzenlastabdeckung wird die Fernwärme vorgesehen. Mit diesem Konzept können ökologische und ökonomische Überlegungen optimal eingebunden werden, da ein geringer Primärenergieverbrauch bei tiefen Investitionskosten erreicht wird. Ausserdem kann das Konzept für jeden Bauabschnitt unabhängig umgesetzt und fortgeführt werden.
Um den Komfortansprüchen gerecht zu werden, ist neben der Beheizung auch eine aktive Temperierung in der warmen Jahreszeit erforderlich. Die Beheizung und Temperierung wird durch ein „Thermisch Aktives Bauteil System“ (TABS) als sanfte Klimatisierung vorgesehen. Das TABS wird also auch als Grundlastsystem für die Kühlung eingesetzt; die grossen Wärmelasten werden jedoch durch die Lüftungsanlage abgeführt.
Der technische Brandschutz wird bei den Lüftungsanlagen durch die Feingliedrigkeit der Luftverteilung erbracht.

Fassade
Das Gebäude präsentiert sich mit einer klassischen Lochfensterfassade, deren Vollwandbereiche mit einer hochgedämmten Betonkonstruktion und Backstein-Klinker-Verkleidung das Erscheinungsbild des Bauwerkes prägen. In den Obergeschossen bilden Holz-Metall Fenster, in den Lochnischen zurückgesetzt, die öffenbare Verbindung zur Aussenwelt.
Die Eingangszone an der Südfassade präsentiert sich als geschosshoch verglaste Pfosten-Riegelkonstruktion in einer geschützten Arkadensituation. An den restlichen EG Fassaden werden wiederum dieselben Holz-Metallfenster der Obergeschosse verwendet. Zur Gewährleistung der Sicherheitsanforderungen sind diese als flächenbündige Kastenfenster in die Klinkerfassade gesetzt.
Alle Lochfenster verfügen über einen aussenliegenden textilen Sonnenschutz. Dessen Teiltransparenz erlaubt den Nutzern auch in geschlossenem Zustand die Sicht nach Aussen.
Durch die Verwendung etablierter Fassadenelemente wird der Energie- und Unterhaltsaufwand minimiert und gleichzeitig ein hoher Nutzerkomfort gewährleistet. Somit lassen sich die Bedürfnisse der Bauherren wie auch der Nutzer gleichermassen ideal erfüllen.

Client:Vermögen und Bau Baden-Württemberg (D)
Year:2010
Categories:office
Status:competition